In der Unterwelt von Nütterden

- Die Sankt Georg Schule in Aufruhr –

In der Klasse 2 B von „Sankt Georg“, der Grundschule von Nütterden, waren die Kinder an diesem letzten Schultag vor den Sommerferien sehr unruhig. Anders als sonst liefen sie lärmend durch den Klassenraum und waren kaum zu beruhigen. Die Lehrerin Frau Vogel hatte viel Mühe Ihre Schüler zu disziplinieren, was bei dieser Schulklasse sonst eigentlich nie notwendig war. Sie erklärte sich die Unruhe der Kinder mit der Vorfreude über den Beginn der großen Sommerferien und sie ahnte nicht, was an diesem Tag noch alles passieren würde.

Wie jeden Mittwochmorgen unterrichtete Frau Vogel „Kleverländisch“. Eine Dialektsprache die hier in den Niederrheinlanden neben dem Hochdeutsch seit je her gesprochen wurde und bei den Schülern sehr beliebt war.

Gerade, als sich die Kinder einigermaßen beruhigt hatten, begannen plötzlich die Wände zu wackeln, die große Wandtafel klappte mit einem großem Knall zu, die Türe wurde aufgerissen und die Fensterscheiben klirrten.

Ein heftiger nach Schwefel riechender Windstoss fegte durch die ganze Schule, als alle Lichter aus gingen.

Was war geschehen? So plötzlich, wie der Spuk begonnen hatte schien er auch wieder vorbei zu sein.

Die Kinder schrien laut auf, fielen auf dem Boden und rappelten sich wieder auf. Frau Vogel behielt die Nerven und rief mit etwas zittriger Stimme:

„Allemol herütt met ollie, röstig bliewe, en nor bütte, enen nor dän anderen“ dabei drängte sie ihre Schüler aus der Klasse ins Freie.

Auf dem Schulflur begegneten sie die anderen Schüler von Sankt Georg, die ebenfalls laut weinend und schreiend aus der Schule rannten.

Draußen auf dem Schulhof waren der Schulleiter, der Hausmeister und das Lehrerkollegium dabei die Kinder zu beruhigen, was aber bei der Anzahl der Schüler ein hoffnungsloses Unterfangen war.

„Wat es dan no gebört?“

hörte Frau Vogel den Schulleiter aufgeregt fragen.

„Ek heb alleen mar de groote döör inne källder loss gemakt, öm fresse loft herin te loote, en dann ging et Gedrüss all loss“

stammelte der Hausmeister, der kreidebleich in dem Durcheinander vor dem Rektor stand, um dann wieder hin und her zu laufen.

„Wat vön Döör dan öm hemmels wellen?“

wollte der Schulleiter mit aufgebrachten Unterton wissen, und schaute den hysterisch gestikulierenden Hausmeister an,

„De Döör nor denn alden Bonker, wo wej de kapotte Möbels van de Scholl ston hebbe, dor koom dat Schandool herütt“

antwortete der Hausmeister, dessen Gesichtsfarbe nun in grün-gelblich wechselte.

„Ek weet nex van enen Bonker inne Scholl, sech bloss nex tegen all die Menze hier“

sagte der Rektor nun etwas leiser, so das ihn nur der Hausmeister verstehen konnte. Inzwischen waren die Nachbarn der Schule und einige besorgte Eltern gekommen und halfen die Kinder zu beruhigen.

Sie hatten den Knall über der Schule bis ins Dorf gehört, wussten es aber nicht ein zu ordnen. Zum Glück war kein Kind verletzt worden, nur der Schrecken steckten allen noch in den Gliedern.

Nun war auch die Feuerwehr mit dem Gemeindebrandmeister aus Nütterden zur Stelle. Das Feuerwehrhaus stand nur wenige hundert Meter von der Sankt Georg Schule entfernt. Sie waren gut für solche Ereignisse geschult und zusammen mit dem gerade eingetroffenen „Putz Jansen, dem Dorfsherif von Nütterden“ hatten sie die Lage schnell im Griff. Die Kinder wurden mit Schulbussen nach Hause gefahren, oder von den Eltern abgeholt.

Die Presse war wie immer, wenn irgendwo etwas passierte schnell informiert und natürlich auch schnell vor Ort. Der Schulleiter wurde sofort von ihnen umringt. Er sprach zu den Journalisten von einem technischen Defekt, der sich im Keller der Schule ereignet habe, ohne zu wissen was wirklich geschehen war.

Mit so einer kurzen Antwort waren sie natürlich nicht zufrieden. Einer der Journalisten, er kam von einem der Klever Blättchen, fragte darauf hin neugierig nach;

„Et geft all lang dat Geröcht, dat in de Källder van Sent Schorsch enen Bonker es, denn met de Onderwält van Nöttere verbonden es, en dat door alle poor Johr de Dämone norr bowe komme, wat könnt gej daröwer segge“?

„Nex…. nex kan ek daröwer segge,….. dat es wänn öwerhaupt…. vör minnen titt gewesst…. alles wörd gröndlich ondersocht“

antwortete der Rektor stotternd, ließ die Reporter den Hausmeister am Ärmel ziehend stehen und ging eilenden Schrittes unter Blitzlichtgewitter zu seinem Lehrerkollegium in die Schule.

Auch unter den Lehrern war die Aufregung groß. Ein Stimmengewirr drang aus dem Konferenzraum. Als der Rektor eintrat wurde es „mucks mäuschen“ still.

Das Gebäude der Schule war allem Anschein nach doch nicht so stark beschädigt.

„Wij weet dan wat van enen Bonker onder de Scholl“

fragte der Schulleiter in die Runde, immer noch erregt ob des Geschehens.

Eine der älteren Lehrerinnen antwortete etwas schüchtern, während die anderen neugierig zuhörten was die Kollegin sagte:

„Wej äldere weten dat all lang, en natürlik ok dän Hüssmäster, af en tu hebbe wej es ene kapotte Stul of enen Toffel nor onder gebrocht“.

„ Än wat es met de Dämone, wor denn Mens vane Zeitung norr gefroocht hät, dat es doch alles domme kwatts, off nitt?“

bohrte der Rektor nach.

„Nee, nee dat hebbe se all ömmer in et Därp vertellt, mar et wörd dor nit vööl ower geprott, diep in de Menze set ömmer noch de ängst vorr denn Düwel, dän dor onder in die alde Gäng onder Nöttere sinn spelletjes met de Menze mekt“, meldete sich eine andere Kollegin.

„Ek weet imand, die ons door wier hälpe kann, Jan hitt hej, dän kömmt van et Renneken, dän weet over de alde Bonkers en die verscheije alde gäng onder Nöttere genau bescheid“,

meldete sich der nun etwas beruhigte Hausmeister zu Wort.

All dat wat wej hier besprooke hebben mot onder ons bliewe, de menze worre sönst mar gäck gemakt, en gej holt märgen fruch denn Jan hier hen“

bestimmte der Schulleiter mit befehlenden Ton, in dem er sich an Hausmeister wandte.

Am anderen Morgen waren fleißige Handwerker aus Nütterden bereits mit den Reparatur- und Aufräumarbeiten in der Schule beschäftigt.

Der Schulleiter, das Lehrerkollegium und der Hausmeister waren schon früh zu einer Besprechung in dem jetzt aufgeräumten Lehrerzimmer erschienen, als Jan an die Tür klopfte und auf Zuruf eintrat.

„Guje Mergen, worr kann ek olli met helpe?“

fragte Jan in die diskutierende Runde. In der Hand hielt er die geheimen Pläne von Nütterden, die er damals in den Katakomben des Hingstberges gesichert und mitgenommen hatte.

Der Schulleiter begrüßte Jan freundlich und stellte seine Lehrerkollegen vor.

Der Hausmeister hatte Jan schon am Vorabend besucht und Ihn von dem vorfall in der Schule berichtet. Er war schon lange mit Jan befreundet, weshalb er auch von Jan und seinem fabelhaften Wesen und dessen mystischen Fähigkeiten wusste.

Wej hebben en problem“

begann der Rektor zögerlich, weil er Jan und sein Tun noch nicht richtig einschätzen konnte.

„Könnt gej uns wat öwer den alden Bonker bej ons in de Kälder vertälle, en wat hätt dat met de Dämone en dat Düwelsgeproot in et Derp te duun?“

Jan breitete gerade seine mitgebrachten, alten Pläne von Nütterden auf dem großen Konferenztisch aus, als der alte Pastor von Sankt Antonius abgehetzt eintrat.

„Ek heb et all van minne Köster gehört, dat dän Düwel werr in Nöttere es, wej motte straks inne Kerk van onsen liewen Tönn, en et Evangelium läse, damät den Düwel wärr verdammt wörd“,

sprach der etwas korpulente, nach Luft schnappende Pfarrer.

„No sit ma nit so rüselig Heerome“, sagte der Schulleiter beschwichtigend „wej hebben all hölp, en sin nät dorbej alles te bespräke“,

dabei zeigte er auf Jan.

Der Pastor setzte sich an den Tisch und schaute argwöhnisch auf Jan. Von dem Fischersohn hatte er schon viel gehört und ihn schon einige Male bei anderen Gelegenheiten kennengelernt. Sie waren keine Freunde geworden, aber sie respektierten sich, kämpften sie doch gemeinsam, jeder mit seinen Mitteln, gegen das Böse in Nütterden.

Jan erklärte nun den Anwesenden die alten Karten von Nütterden. Er berichtete, dass es insgesamt sechzehn Bunker in Nütterden gegeben hat, von denen es noch eine handvoll intakte Bunker geben soll, die alle untereinander durch ein Labyrinth von Gängen miteinander verbunden sind. Die anderen sind entweder verschüttet, zerstört oder nicht mehr vorhanden. Auch sollen diese Gänge bis in die Niederung des Wiesenlandes, mit Häusern, Bauernhöfe und den drei Bergen von Nütterden; Vossberg, Hingsberg und Wolfsberg, eine Verbindung haben. Genaues wisse man allerdings nicht, wohl aber das sich in dieser Unterwelt immer wieder geheimnisvolle Dinge abspielen sollen. So ist eben auch unter der Schule von Sankt Georg ein riesiger Bunker in den Plänen von Jan eingetragen.

„Door heb ek nechs van geweete, waröm hät min dat geen Menz vertällt?“ meldete sich der etwas eingeschnappte Schulleiter wieder zu Wort.

„Dat heb et all döck in min Präk inne Kerk geseit, mar dor hebt gej nit nor min gelüstert“,

viel ihm der Pastor ins Wort.

Beide hatten nicht das beste Verhältnis mit einander, da der Pastor dem Schulleiter immer wieder allzu moderne Unterrichts Methoden unterstellte.

Ohne weiter auf den kleinen Seitenhieb des Pfarrers einzugehen, fragte der Schulleiter an Jan gerichtet:

Wat könne wej no duun Jan?“

„Ek sal min de Plöön noch ene keer gut onsien, en van dän Bonker hier inne Scholl ütt motte wej wier goon, en dann kieke wej wat dor onder in de alde Gäng loss es“,

antwortete Jan mit ruhiger Stimme.

„En wat es met denn Düwel da onder?“ meldete sich nun die ältere Lehrerin zu Wort. Jan hatte aber schon ein Konzept in dem er sagte:

„Ek nem minnen Friend Gerd van de Dorpstroot met, Gerd es ennen ächte Nöttersse Jong, hej kennt sich hier innet Derp üt, dän kann min hälpe herütt te kriege, wat dor onder alles geböört.“

„Minnen Sägen heb je Jan, en hier geef ek ow nog en Krüss, met onsen liewen Hergott dorop, nemt et met norr onder, dormet met gej nit van den Düwel öwerrasst word“

sprach der Pastor bevor der Schulleiter etwas sagen konnte,

„Bedankt Heerome dat Krüss geef ek Gerd, min kan nex geböre, en hogere Macht passt ob min op, wij gej weet“,

antwortete Jan dem Pastor,

der immer wieder Versuche unternahm Jan auf sein katholisch-christliches Weltbild einzuschwören.

Da Jan ja bekannter Weise ein mystisches Fabelwesen ist, ist es ihm nicht möglich einer einzigen Konfession anzugehören.

„De Scholl en ek kann dat nit verantwoorde Jan, dat mott gej ob ow eige Kapp neme, ma as wej ow helpe könne, dün wej dat well“,

kam nun endlich der Schulleiter zu Wort und dem Hausmeister zugewandt sagte er,

„Gej zeigt hem, worr dän Ingang in dän Bonker ess, en makt öweral lecht da onder on“.

Auch die anderen Lehrpersonen stimmten den Worten ihres Schulleiters zu und wünschten Jan viel Glück.

„Dank ow allemol, Gerd an ek sallen ons Best duun om dän Spuuk dor onder inne gater te halde, mergen fruch salle wej nor onder goon“

sagte Jan, rollte die alten Pläne wieder zusammen und machte sich auf den Weg zur Dorfstrasse zu seinem Freund Gerd.

In der Schule St. Schorsch gingen unterdessen die Aufräumarbeiten weiter, nach den Schulferien sollte der Schulbetrieb ja wieder normal aufgenommen werden.

Gerd war gerade dabei sein Fischzeug einzupacken, um in der Düffelt an einem ruhigen Teich angeln zu gehen, als Jan bei ihm eintraf. Da sie sich einige Zeit nicht mehr gesehen hatten, freuten sich die beiden Freunde, wieder einmal was zusammen zu unternehmen. Jan weihte Gerd in sein Vorhaben ein. Bei einem Fläschchen Bier, das Gerd aus dem Keller holte, studierten sie die alten Pläne die Jan mitgebracht hatte.

Dabei fiel Gerd überraschend auf, dass in der alten Karte auch die „Kate“ seiner Großeltern eingetragen war, die an der Stelle von Gerd seinem jetzigen Haus gestanden hatte. Auch ein Eingang in die unterirdischen Gänge von Nütterden war dort eingezeichnet.

„Dormols als wej dat alde Huis afgebroken hebben, es well en stöck van den Bojem in de Kälder ingebroke, wej wose dormols niet wat dat fön Gatt was, mar now wor gej et secht, weet ek et noch, dat et omöndig nor Schwefel stonk, doröm hebbe wej dat Gatt tugeschött.

Min Grootmoder an min Moder hebben ons dök vertellt dat denn Düwel onder Nöttere sett, en kleine Kindere in een diep Log treckt. Wej hebben dumals gedocht die wellen uns alleen mar Bang maken, wän wej wat ütgefräte hadden“

erzählte Gerd seinem Freund Jan.

„Nee, nee Gerd onder in Nötterre geft et en groot Labyrint van alde Gäng, dat könnt gej hier in de alde Plöön gut sien. Wej motten van denn Bonker inne Scholl in de alde Gäng komme, öm te siehn wat ons dor onder verwacht.“

antwortete Jan.

Nachdem Jan und Gerd ihr Bierchen ausgetrunken hatten machten sie sich auf zur Schule St. Schorsch. Unterwegs wurden sie von einigen Dorfbewohnern gesehen, die von dem Vorhaben der Beiden gehört hatten. In so einem kleinen Dorf wie Nütterden war das Gerücht schnell verbreitet worden, dass Jan und Gerd unterwegs in die Unterwelt waren. Kurz vor dem Gasthaus Vink trafen sie auf Günter Jansen der auf der Schulstraße wohnte;

„Gej twee sükt doch norr die alde Bonkers van Nöttere, ek glööf tössen Binnenfält en Brahmswech, dor wor frugger Famili Klösters gewohnt hät, dor mott noch ennen Bonker stoon, dor stoon van dag Bööm dropp, wej hebben as Blaage dor döck gespölt, met de Jonges van Gerd en Toni, diej hebben ok Fussball gespölt bej dänn  „SV Nöttere“,

sprach Günter die Beiden sofort freundlich an.

„en wat dij alde geheimnisvolle Gäng betreft, fugger wurd vertällt, dat van denn Bonker ene Gang bes nor et Grondstöck  van et Schuhgeschäft van Derks, op den Huk van de Mozartwech ging. Ek weet nitt of dat woor es, off bloos en Vertelleke üt et Derp“,

fuhr Günter Jansen fort.

„Jo dat kann ek bestätige“,

sagt Manni Kromwijk, der gerade aus seinem VW-Käfer stieg,

 „achter de Bäckarej van Jansen/Gerads ob de Schoolstroot es denn Bonker, ek meen dat dän van daag noch dor stet“.

„Ma nog wat“,

sprach er weiter,

„dor wo ek no woon op de Römerstroot, tegenöwer van de alde Papiermöle, dor stet ok nog sön Deng“

erzählt er weiter,

„dän es äwel gesprengt, van dor ütt könn je nit herin komme. Ek weet noch woor vööl mehr Bonkers geston hebbe“,

wurde Manfred Kromwijk redselig,

 „ sölle wej nit hier bej Fretz en Luzie sette goon, en een Biertje dorbej drenke?“

Die drei gingen durch den unter Denkmalschutz stehenden Eingang der Wirtschaft und wurden von Fritz und Luzie, den Wirtsleuten, herzlich begrüßt. Sie setzten sich an einen Tisch direkt am Fenster und bestellten jeder ein Bier.

„Dütt minn mar en Schäpske dorbej“

sagt Gerd

„och wetje watt Luzie, dütt ma drie för ne Roje, för ons allemool“,

ergänzte Manni Kromwijk, der die alte Maßeinheit drei Schnaps für eine Mark noch kannte.

„Wej motten onsen Ploon för van daag ändere“ sagte Jan zu Gerd, während die Wirtin mit den bestellten Getränken an den Tisch kam,

 „van daag wörd dat nechs merr, wej motten erst nog meer met de Menze hier in Nöttere proote, dänn dij alde Plöön die ek heb, stemme för en achter nit merr“.

„Proost“,

ruft Fritz gut gelaunt von der Theke herüber an den Tisch,

„de erste Rond geet ob minn“.

Luzie, die auch an ihr Geschäft dachte, schaut ihren Mann vorwurfsvoll an als wolle sie sagen, lass die drei doch erst mal ein paar trinken, bevor du einen ausgibst.

„Onnen Henstberg hebben ok twee Bonkers gestoon, lenks an rächs vannen Ingang nor de Küll“

berichtete Manni weiter, während Jan und Gerd aufmerksam zu hörten, makierte Jan gleichzeitig Mannis Angaben in die alten Pläne.

„dij sin äwel alle twee gespengt worre, door hebbe we as Kinder in de Trömmer gesäte, genau so wij denn Bonker bej de Schreinerej Knieriem ob de Wolfsbergstroot, dor stet no en nej Huis drop, en ok denn Bonker kort dorbej, ob de Jachtboon bej Hendricks, hier heft de Familli van min Älders met neegen Menze drie weeken drinn geläft, inne Krich, van daag es hier alleen nog mar ennen Pokkel met Grass de sien.“

fuhr Manni fort, dem immer mehr Standorte der alten Bunker von Nütterden einfielen.

„Onnen Wolfsberg, bej de Küll van Berns, hebben ok twee Bonkers geston“,

meldet sich Gerd nun zu Wort und prostete, in dem er sein Glas Bier hob, seinen Tischnachbarn zu, „die sin van de Tommis nor de Krich gesprängt worre.

Hier in Nütterden und im angrenzenden Reichswald haben die Alliierten mit Luftlandetruppen und viel Kriegsgerät am Ende des Krieges eine Großoffensive gestartet.

Während der Kampfhandlungen in den letzten Kriegstagen gab es damals auf "beiden Seiten" riesige Verluste an Material und Menschenopfern. Entsprechend wurde in Nütterden an der Kirche von St. Antonius auch ein Ehrenmahl für die Gefallenen errichtet.

„In min Norbarschaft, oppe Kerkhof, stet ok nog sön omöndig Deng tössen de Bööm, dän hebbe se tugemätzelt, als Kind ben ek dor nog drin gewest,“

indem Gerd das erzählte, merkte man schon, dass seine Zunge immer schwerer und seine Sprache immer undeutlicher wurde.

„En bej den Buur Leurs op dän Huck sin twee Bonkers gestoon, dij ok gespränkt sin, de groote Brocke sin dan tegen dän Högel vergrawe worre,“

wirft Manni in die Runde, wobei er nach Luzie rief und noch eine Runde Bier und Schnaps bestellte.

„So kann et nie wier goon Gerd“

sagte Jan etwas verärgert,

„wej komme van daag nit mehr inne Gäng“

Jan hatte in Wirklichkeit nur zwei Bier getrunken, während Gerd und Manfred einige Bierchen und Schnäpse mehr hatten. Nach dem Luzie mit noch einer Runde kam und Fritz mittlerweile auch mit am Tisch saß, sangen die Drei schon lauthals ihr traditionelles Lied „….ja dat wej Nötterse Jonges sin, dat welle wej weete……

……es war gestern Abend spät geworden in der Gaststätte Fink. Bis in die Nacht hinein hatten Gerd, Manni und die Wirtsleute noch gefeiert und gesungen. Jan hatte die muntere Gesellschaft schon früh verlassen. Er war zu seinem Haus am Renneken gegangen um sich für den anderen Tag vor zu bereiten. Er wollte die alten Pläne mit den neuen Einträgen vom Vorabend nochmals studieren. Immer wieder waren Ihm Vorkommnisse, wie die an der Sankt Georg Schule bekannt geworden. Er wollte nun endgültig klarstellen gibt es den Satan aus früheren Zeiten noch in den Katakomben von Nütterden oder ist es nur der Aberglauben der Dorfbewohner, der sich über die Jahrhunderte hartnäckig gehalten hatte.

Jan hatte sich am Abend für den heutigen Morgen mit Gerd an der Schule verabredet um endlich die mysteriösen Vorgänge an der Schule zu klären.

Gerd war erstaunlich fit, hatte er doch gestern Abend reichlich Alkohol getrunken. Nach seiner Devise „Wer feiern kann, kann auch arbeiten“ war er pünktlich an der Schule erschienen um mit Jan das weitere Vorgehen zu besprechen.

Der Hausmeister erwartete die beiden bereits und führte sie hinunter in den Keller. Ein leichter Geruch von Schwefel waberte immer noch durch das Gebäude als der sehr aufgeregt wirkende Hausmeister mit zittriger Hand die schwere Eisentüre zum Bunker aufschloss.

„Bes hier hen komm ek met, ek heb et Lecht on gemaakt, mar wier gon ek nit mer met. Dat es min te geförlik“

sprach der Schuldiener Jan und Gerd mit bebender Stimme an. Er ließ die Beiden stehen und rannte die Treppe eilenden Schrittes wieder hinauf, noch bevor sich Jan für dessen Hilfe bedanken konnte. Oben im Schulflur hörten die beiden Freunde wie der Hausmeister und das Schulkollegium wie im  Chor riefen „Vööl glöck ge twee, en kommt gesond wär tröck.“

Dann viel die Türe zum Kellereingang krachend zu.

Jan und Gerd sahen sich neugierig in dem saalähnlichen Raum um. So groß hatten sie den Bunker nicht erwartet. Er war wohl gebaut worden um vielen Bewohnern von Nütterden Schutz zu geben. Jetzt war er fast leer, nur in einer Ecke waren ein paar alte verstaubte Tische und Stühle aufgestapelt worden. An einer Seite hing eine riesige alte, aufklappbare Schultafel an der Wand.

Graue, dichte Spinnfäden rankten um die Tafel und bewegten sich in einen modrig riechenden Windzug, der aus dem Inneren der Tafel zu wehen schien.

Jan lief auf die Tafel zu. Er bemerkte sofort, dass sich dahinter eine Öffnung befand. „Komm es kieke Gerd, hier es en döör“ rief Jan seinem Freund Gerd zu, der sich bei den Tischen zu schaffen machte.

„sönnen Toffel kos ek well gebrüke, vör inne Werkstatt“  sagte Gerd sich umschauend und lief auf Jan zu.

„no lott den alden Rommel stoon, en komm hier es kieke. Hier es ennen  Ingang in die alde Gäng van Nöttere“ raunte Jan seinen Freund an, idem er die alte Schultafel aufklappte.

Gelbe, nach Schwefel riechende Nebelschwaden waberten Ihnen aus dem Gang  entgegen als sie forschen Schrittes in die unbekannte, unterirdische Welt von Nütterden eintraten.

Jan hatte sich vorgenommen, an Hand der alten Plänen, bis zur Bruchschenstrasse in die Niederung zu kommen. Von hier aus, so schien es ihm nach seinen intensiven Studien der Pläne, konnten die Dämonen immer wieder durch die alten Kanäle bis ins Dorf eindringen. Hier, wo in „alter Zeit“ die Sankt Sebastian Kapelle gestanden hatte, vermutete Jan die Wurzeln allen Übels.

Jan und sein Freund Gerd kamen gut voran. Anfangs etwas vorsichtig, aber dann immer mutiger werdend, liefen sie den gut begehbaren Hauptgang in Richtung Dorfmitte. Immer wieder hielten sie inne, um rechts und links kleinere Nebengänge zu untersuchen. Einige der Gänge waren zugemauert und andere waren über die Jahrhunderte eingefallen. Gerd lief immer voran, um die manchmal gespenstische Szenerie hier unten in den Katakomben, mit einer mitgebrachten Karbidlampe auszuleuchten. Außer große, alte Spinnweben und mumifizierte, rattenähnliche Tierkörper, war nichts weiter zu erkennen.

Als sie unter der Kaiserlinde an der Dorfstraße ankamen fanden sie einen geräumigen Raum vor, der wie ein Wirtshaus eingerichtet war. Hier trafen sich also die Wirte von Nütterden und spielten Skat mit dem Pastor und dem Dirigenten, um von den anderen Bewohnern von Nütterden nicht gesehen zu werden wenn sie mal wieder über die Stränge schlagen wollten. In einem Nebenraum stapelten sich hunderte von leeren Flaschen, die alle von den ausgiebigen Gelagen der „Skatbrüder“ herrührten.

An einem der Tische nahm Jan und Gerd platz und besprachen an Hand eines alten Planes das weitere Vorgehen. Sie wollten versuchen zügig am Pfarrhaus vorbei Richtung Friedhof und Kirche weiter zu gehen, um noch bei Tageslicht in der Niederung anzukommen.

Von Dämonen oder Geistern war bisher nichts zu sehen, lediglich ein leichter Geruch von modrigem Verfall lag in der Luft.

Der Nebengang zum Bunker am Friedhof war ebenso mit einer schweren Eisentüre verbarrikadiert, wie der Gang zur Kirche von Sankt Antonius.

Wer hatte einen Schlüssel zu diesen Türen? Wer konnte sie öffnen? Gab es weitere Zugänge? Was würde sie noch erwarten? Die beiden Freunde stellten sich viele Fragen, sie hatten aber noch keine Antworten.

Weiter gerade aus, an dem eingefallenen Nebengang der alten „Bendig Kate“ und dem zugeschütteten unterirdischen Eingang zum Hof von Bauer Leurs vorbei, wurde der Durchgang plötzlich immer enger. Gerd hatte große Mühe weiter zu laufen um den Gang mit seiner Lampe auszuleuchten.

„Halt ein“ rief Jan seinem Freund Gerd zu.

Durch seine Fähigkeiten, mystische Gefahren vorher zu erkennen, gingen sie nicht weiter voran. Jan zog Gerd hinter sich um ihn zu schützen.

Nachdem Jan einige alte, modrige Holzdielen beiseite geräumt hatte, bot sich den Freunden im Schein ihrer Lampen ein erschreckendes Bild.

Eine große, saalähnliche Gruft tat sich auf. Hunderte mumifizierte Leichen von Menschen mit weit aufgerissenen Mündern stapelten sich an den Wänden.

 Die Hände der Toten schienen sich den Betrachtern entgegen zu strecken. Jan und Gerd waren für einen Moment wie erstarrt als sie diesen grauenvollen Anblick wahrnahmen. Verwesung machte sich in den Katakomben breit.

Wer waren all diese Toten? Wie waren sie umgekommen? Konnten von hier aus die Dämonen oder sogar Satan sein Unwesen in Nütterden treiben?

Jan ahnte es schon, als er in die Mitte der Gruft auf einen alten verstaubten, gläsernen Schrein zu ging. In diesem Schrein lag eine Schriftrolle mit allen Namen der Toten und deren Herkunft.

Diese Toten waren die Opfer von Satan, die dieser über die Jahrhunderte von den Nütteraner Einwohnern gefordert hatte, um hier in den Katakomben seinen teuflischen Totenkult zu feiern. Diese Möglichkeit wurde dem Dämon nun durch seine Entdeckung genommen. Da Jan und sein Freund Gerd das Geheimnis des Labyrints von Nütterden scheinbar gelöst hatten, wollten sie nun so schnell wie möglich den gruseligen Ort verlassen.

Jan und Gerd waren die Helden des Tages in Nütterden. Nachdem die Toten aus der Gruft in geweihte Erde begraben wurden, hat man die alte Gruft zugeschüttet. So hoffte man, dass nun Ruhe in Nütterden einkehren würde und der Satan für immer verschwunden blieb.

Alte Nütteraner sind da aber ganz anderer Ansicht………….